1929
Lateranverträge
Der Lateranvertrag zwischen dem italienischen Staat und dem Heiligen Stuhl vom 11. Februar 1929 fiel in die Amtszeit des Gardekommandanten Hirschbühl. Darin wurde dem Heiligen Stuhl das ausschliessliche und absolute Recht zugestanden, sich politisch und juristisch selbst zu verwalten. Daraufhin bestätigte der schweizerische Gesamtbundesrat am 15. Februar die Stellungnahme des Parlaments: «Die päpstliche Garde kann nicht als ausländische, bewaffnete Einheit gemäss Artikel 94 des militärischen Strafrechts betrachtet werden; da diese Truppe eine einfache Wachpolizei ist, kann jeder, wie bisher, in ihren Dienst treten, ohne die Zustimmung des Gesamtbundesrates einzuholen.»
Die Schaffung des neuen Staates, der Vatikanstadt, erforderte an seinen Grenzen die Einrichtung regulärer Kontrollposten am Arco delle Campane (Glockenbogen) und der Porta Sant’Anna (Annator). Das Portone Borgia (heute auch Porta Viridaria genannt) wurde hingegen geschlossen. Im Jahre 1929 begann man auch mit dem Bau der neuen Büro- und Wohnräume für Offiziere und Unteroffiziere. Es bleibt weiter zu sagen, dass ausser den schon genannten Arbeiten auch die Restaurierung der St. Martin und St. Sebastian geweihten kleinen Kirche im Quartier der Schweizer in dieser Zeit beendet wurde. Papst Pius V. hatte diese Kirche 1568 eigens für die Garde errichten lassen und nun stand sie erneut zu ihrer Verfügung. Die jahrhundertelang mit der Geschichte der Schweizer beim Heiligen Stuhl verbundene Kirche San Pellegrino wurde hingegen der Vigilanza (heutige Gendarmeria, Polizeikorps des Vatikans) zur Verfügung gestellt.
1870
Ende des Kirchenstaat
Der Ausbruch des Krieges zwischen Frankreich und Preussen im Juli 1870 bedeutete das Ende der weltlichen Macht der Kirche, da Napoleon III. die französischen Besatzungstruppen in die Heimat zurückverlegen musste. Die italienische Regierung sicherte dem Papst die Einhaltung des Abkommens vom September 1864 zu, sie liess jedoch, sobald sich das Kriegsglück von Napoleon III. abwandte, die der Kirche gehörenden Gebiete vom Heer des Königreiches Italien belagern.
Nach der Niederlage von Sedan und der Proklamation der Französischen Republik wurde die militärische Belagerung intensiviert und am 20. September 1870 stürmten die königlichen Truppen nach einem kurzen Kanonenfeuer die «Porta Pia» und marschierten in Rom ein. Pius IX., der Blutvergiessen vermeiden wollte, hatte dem Oberbefehlshaber der Päpstlichen Streitkräfte, General Kanzler, befohlen, die Verteidigung auf das Notwendigste zu beschränken, um zu beweisen, dass man nur der rohen Gewalt weiche. Am folgenden Tag wurden die päpstlichen Truppen verabschiedet und nur die Schweizergarde blieb im Vatikan.
So endete eine jahrhundertelange Epoche, in der die Sicherung der weltlichen Macht der Kirche ein Heer unter der Leitung des Papstes erforderlich gemacht hatte. Von nun an hatte die Schweizergarde «nur» die Aufgabe, das Leben des Papstes zu schützen und für die Sicherheit des Vatikans und des Sommersitzes des Papstes im Castel Gandolfo zu sorgen. Deshalb hatte die Frage Stalins, über wie viele Divisionen der Vatikan verfüge, keinerlei Sinn. Sie zeigte eine allzu «realistische» und kurzsichtige Betrachtung der Fakten, die den Lauf der Geschichte bestimmten.
1527
Plünderung Roms «Sacco di Roma»
Am Morgen des 6. Mai 1527 gab der Generalhauptmann Bourbon von seinem Hauptquartier aus, dem Kloster Sant’Onofrio auf dem Gianicolo, das Zeichen zum Angriff. Bei der «Porta del Torrione» wurde er tödlich verwundet, als er zum Sturm auf die Stadtmauer ansetzte. Nach kurzem Zögern durchbrachen die spanischen Söldner die «Porta del Torrione», während die Landsknechte in den «Borgo Santo Spirito» und den «Borgo San Pietro» einfielen. Die Päpstliche Schweizergarde, die sich vollzählig beim Obelisken eingefunden hatte, der damals in der Nähe des «Campo Santo Teutonico» stand, und die wenigen römischen Truppen leisteten verzweifelten Widerstand. Der Kommandant Kaspar Röist wurde verwundet und später im Quartier vor den Augen seiner Frau Elisabeth Klingler von den Spaniern auf barbarische Art niedergemetzelt. Von den 189 Schweizern überlebten nur die 42 Gardisten, die unter der Führung von Herkules Göldli Klemens VII. zu seinem Zufluchtsort, der Engelsburg, begleiteten.
Die anderen fielen heldenhaft, zusammen mit 200 in die Kirche Geflüchteten, vor dem Hochaltar von Sankt Peter. Die Rettung Klemens’ VII. und seiner Leute ermöglichte ein geheimer Fluchtgang, der sogenannte «Passetto», den Alexander VI. auf der Mauer, die vom Vatikan zur Engelsburg führt, hatte anlegen lassen. Die wilde Horde hatte es eilig, da sie fürchtete, dass ihr die Liga den Rückzug abschneiden könnte. Landsknechte und Spanier strömten über die «Ponte Sisto» in die Stadt und verbreiteten acht Tage lang Schrecken und Gewalt, raubten, frevelten und mordeten. Sie brachen sogar die Gräber der Päpste, auch das von Julius II., auf, um sie auszuplündern. Man schätzt die Zahl der Toten auf 12‘000 und den Wert der Beute auf zehn Millionen Dukaten.
Alles, was geschah, ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass das kaiserliche Heer und mehr noch die Landsknechte Frundsbergs von dem gewalttätigen Gedanken eines Kreuzzugs gegen den Papst geleitet wurden. Vor der Engelsburg wurde unter den Augen des Papstes die Parodie einer kirchlichen Prozession inszeniert, mit der man Klemens aufforderte, Luther die Segel und die Ruder der «Navicella», des Petrusschiffchens, zu übergeben. Die Soldaten grölten: «Vivat Lutherus pontifex.» Zum Hohn wurde Luthers Name mit der Schwertspitze in das Fresko «La Disputa del Santissimo Sacramento» (Die Disputation über das Allerheiligste) in den Stanzen Raffaels eingeritzt und eine andere Inschrift verherrlichte Karl V. Kurz und präzise dazu ist das Urteil des Priors der Kanoniker von Sant’Agostino: «Malifuere Germani, pejores Itali, Hispani vero pessimi.» (Die Deutschen waren schlimm, die Italiener schlimmer, am schlimmsten aber waren die Spanier.)
Abgesehen von dem unersetzlichen Verlust durch die Zerstörung der Reliquien gingen während des «Sacco di Roma» Kunstwerke von unschätzbarem Wert verloren, wie zum Beispiel der grösste Teil der Goldschmiedearbeiten der Kirchen. Am 5. Juni ergab sich Klemens VII. und musste sich harten Bedingungen unterwerfen: der Übergabe der Festungen Ostia, Civitavecchia und Civita Castellana; dem Verzicht auf die Städte Modena, Parma und Piacenza und der Zahlung von 400‘000 Dukaten. Die päpstliche Garnison wurde durch vier Kompanien deutscher und spanischer Soldaten ersetzt. Die Schweizergarde wurde abgeschafft und ihr Dienst von 200 Landsknechten übernommen. Der Papst setzte durch, dass die überlebenden Schweizer in die neue Garde eintreten durften, doch nur zwölf von ihnen machten von diesem Angebot Gebrauch. Zu diesen gehörten Hans Gutenberg aus Chur und Albert Rosin aus Zürich. Die anderen wollten nichts mit den verhassten Landsknechten zu tun haben.
1512
Schweizer Söldner
Die Wahl des Papstes, Schweizer Söldner anzuwerben, kam nicht von ungefähr. Die eidgenössischen Soldaten galten aufgrund ihres Mutes, ihrer edlen Gesinnung und ihrer sprichwörtlichen Treue als unbesiegbar. Der grosse lateinische Geschichtsschreiber Tacitus hatte schon viele Jahrhunderte zuvor festgestellt: «Die Helvetier sind ein Volk von Kriegsleuten, dessen Soldaten für ihre Kriegstüchtigkeit weithin bekannt sind.» Aus diesem Grunde spielten die schweizerischen Kantone, die sich einmal mit diesem, einmal mit jenem Staat verbündeten, eine bedeutende Rolle in der europäischen Politik. Im Jahre 1512 entschieden sie als Bündnispartner Julius’ II. das Schicksal Italiens und der Papst verlieh ihnen den Titel «Hüter der Freiheit der Kirche». Zu jener Zeit, als das Söldnerwesen üblich war, lebte in den Zentralalpen ein wehrhaftes Volk. Die ersten Schweizer Kantone waren mit ihren zirka 500‘000 Einwohnern überbevölkert. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage herrschte damals grosse Armut. Der einzige Ausweg aus dieser Situation war die Emigration, die gewinnbringendste Aufgabe der Söldnerdienst.
15‘000 Männer standen für diesen Dienst zur Verfügung, der von der kleinen Föderation der Kantone «organisiert» und kontrolliert wurde. Sie vergab das Recht zur Anwerbung von Kriegsleuten und erhielt dafür Weizen, Salz oder günstige Handelsbedingungen. Die Schweizer betrachteten den Kriegsdienst als vorübergehende, nur den Sommer überdauernde Emigration und nahmen deshalb an kurzen grossen Feldzügen teil. Dann kehrten sie nach Hause zurück und lebten den Winter über vom Sold und von der Kriegsbeute. Sie waren die besten Soldaten ihrer Zeit, die ohne Kavallerie und mit wenig Artillerie eine geschickte Bewegungstaktik erfunden hatten, die allen anderen überlegen war. Deshalb wurden sie sowohl von Frankreich als auch von Spanien angefordert. Sie bildeten eine undurchdringliche, mit Eisen gespickte, halbbewegliche Mauer. Man kann die Kriege in Italien nicht verstehen, wenn man sich nicht mit diesen Söldnern befasst hat. Schon im 13. und 14. Jahrhundert, nach der Schweizer Unabhängigkeit, leisteten viele dieser Soldaten Dienst in Deutschland und Italien und da die Kantone diese Art der Emigration nicht verhindern konnten, versuchten sie zumindest, sie unter Kontrolle zu halten.
1506
Gründung
Seit mehr als 500 Jahren steht die Schweizergarde im Dienste der Päpste und wacht über den Vatikan. Begonnen hat alles im Jahre 1506, als die ersten Schweizer auf Anfrage des damaligen Papstes Julius II. eintrafen. Als offizieller Gründungstag der Päpstlichen Schweizergarde gilt der 22. Januar 1506, der Tag, an dem 150 Schweizer unter ihrem Hauptmann Kaspar von Silenen aus dem Kanton Uri durch die «Porta del Popolo» in Rom einmarschierten und danach zum ersten Mal in den Vatikan einzogen, wo sie von Papst Julius II. gesegnet wurden und so ihren Dienst aufnahmen.